Wie sich unser Recht an Smart Contracts und Legal Tech anpassen muss.
Bildquelle: Philipp J.A. Hartmannsgruber
Diese Frage sollte gestern beim 4. Blockchain Roundtable mit Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann, initiiert durch die FDP-Fraktion (herzlichen Dank an Frank Schäffler) im Deutschen Bundestag diskutiert werden. Anne-Sopie Gögl hat durch den Abend moderiert.
Panelisten: Wolfgang Berger (IBM), Dr. Frederike Ernst (Gründerin von Gnosis), Prof. Sebastian Omlor (Uni Marburg)
Nachfolgend die relevantesten Notizen aus der Diskussion und ein Fazit:
Obwohl es eigentlich um „Smart Contracts“ gehen sollte, ist die Diskussion leider recht schnell abgedriftet und es wurden Nebenschauplätze besprochen, statt zum Kern des Themas durchzudringen. Es ging mehr allgemein um Digitalisierung als um technisch und rechtliche Fragen zu Smart Contracts.
Grundsätzlich ist die Forderung aber korrekt, dass Prozesse nicht einfach nur digital dargestellt werden sollen, sondern Silos aufgebrochen werden müssen, um wahre Effizienzsteigerungen und Ganzheitlichkeit zu erreichen.
Die aktuellen Gesetze stehen dieser Gesamtheit aber aktuell noch entgegen.
Das Rechtssystem sollte hier anknüpfen, um die Geschäftsprozesse zu koppeln.
Daher müsste das komplette „Rechtsbuch“ einmal durchforstet werden, um zu erforschen, wo die Rechtsprechung angepasst werden muss.
Hr. Buschmann hat verlauten lassen, dass er Stück für Stück vorgehen werde, um Steine aus dem Weg zu räumen.
Use Cases
An konkreten Anwendungsfällen in Bezug auf Smart Contracts wird aktuell an vielen Stellen gearbeitet, wie beispielsweise dem Zeitstempel für IP-Rechte.
Hr. Buschmann stellte die Frage, ob öffentliche Register auf die Blockchain gebracht werden können? Neben dem Kryptowertpapierregister gäbe es hier noch viel Potenzial, um die Verwaltung zu digitalisieren.
Hr. Schäfflers Aussage ist, dass man die Ministerien mit Projekten zwingen muss, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Ziel muss sein, Rechtssicherheit in verschiedenen Bereichen zu schaffen. Teilweise ist diese bereits vorhanden, wie z.B. im Steuerrecht und bei der Beurteilung von NFTs.
Aber offen ist nach wie vor, wie Smart Contract rechtlich beurteilt werden.
Herr Schäffler erhofft sich dazu Anregungen von der Branche.
Es wurde auch über die Zahlungsrichtline PSDII/III diskutiert, die aktuell noch verbietet, dass IoT-Geräte Zahlungen auslösen dürfen.
Steuerliches & Rechtsrahmen
Es gab auch Kernforderungen zur Steuerthematik, u.a. sollten Airdrops anders versteuert werden, da es sonst eine zu große Hürde ist, neue Protokolle auszuprobieren.
Und unklar ist immer noch, wie eine Transaktion auf einer Blockchain rechtlich eingeordnet wird und was ein Kryptowert eigentlich ist. (Anmerkung: Grundsätzlich ist Bitcoin ein Verfügungsrecht.)
Auch die Frage nach einem neuen Rechtsrahmen für DAOs kam auf. Ist eine DAO eine Legal Entity? Unter MiCAR wäre diese dann lizenzpflichtig, wenn z.B. ein Tokenlaunch stattfindet.
Lt. Prof. Omlor ist dies jedoch rechtspolitisch ein sehr schwieriges Thema und dass es etwas Neues braucht, das es noch nicht gibt. Die deutsche GbR bis zwar bis dato nah dran, aber es muss für den europäischen Markt etwas Neues geschaffen werden. Die aktuellen Konstrukte sind nur Hilfsmethoden.
Moritz Schildt (Vorstand Bundesblock und Hanseatik Blockchain Institut): Es braucht einen belastbaren Rechtsrahmen. Die Verwaltung ist hier gefragt sowie die richtigen Ansprechpartner, z.B. bei der BaFin. Aktuell herrscht große Unsicherheit.
Die BaFin muss proaktiver werden und Guidelines schaffen. Notfalls müssen diese auch von der Industrie vorgeschlagen werden.
Hr. Schäffler: Richtlinien und Gesetze widersprechen sich oft, was ein riesiges Problem ist. Er würde sich wünschen, dass die BaFin etwas entscheidungsfreudiger wird. Da die BaFin keiner Fachaufsicht unterliegt, kann die Gesetzgebung hier leider nichts ändern.
Nichtsdestotrotz hat Deutschland in regulatorischer Hinsicht schon viel erreicht. Das Problem ist eher die zeitliche Komponente, wie schnell die Anträge bei der BaFin bearbeitet werden. Startups verhungern an dieser zögerlichen Haltung, was für den Standort Deutschland wiederum eins der größten Probleme ist.
Fazit:
Es ist schwer einen Markt abzuschotten, der international ist. Der Anspruch von Regulierung ist, allgemein gültige Regeln zu schaffen.
Wir brauchen Regulierung für den Massenmarkt. Dafür ist Kompetenz gepaart mit einer interdisziplinierten Brille notwendig. Das geht schon im Studium los.
Wir brauchen ein internationales, digitales Recht.
Wir brauchen neues digitales Geld und eine neue Infrastruktur.
Für all das braucht es Rechtssicherheit.
Bis dahin müssen wir mit der Unklarheit leben.
Wir brauchen zudem mehr Kollaboration und Indukation!
Und es braucht auch Roundtables außerhalb der Privatwirtschaft, d.h. auch den Dialog mit der BaFin.
Persönliche Anmerkung:
Meines Erachtens braucht es auch eine eindeutige Definition und Abgrenzung des Begriffes „Smart Contract“.
Leider ist der Begriff irreführend, weil es letztendlich nur Programmanwendungen sind und keine "schlauen Verträge". Im besten Fall könnte es eine globale Definition geben, da Smart Contract auch global genutzt werden.
Aktuell widerspricht sich die Legaldefinition von deutschen Verträgen bzw. wie sie zustandekommen von den Eigenschaften eines Smart Contracts, der ja defacto deterministisch ist.
Falls es zu Streitigkeiten kommen sollte, wäre es auch interessant zu erfahren, in welcher Jurisdiktion der Fall vor Gericht zu klären wäre und wie durchsetzbar die Ansprüche sind.
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